Okklusion oder Autophonie?

Tipps, Tricks & Zusammenfassung

Veröffentlicht am: 27.8.2017
Autor/in: Mike
Lesezeit: Minuten

Um diese Frage zu beantworten, kläre ich zuerst, was Okklusion und Autophonie ist, wie beides entsteht und wo die Unterschiede liegen.

Okklusion:

Okklusion bedeutet Verschluss, bzw. Verschlusseffekt. Der Okklusionseffekt entsteht beispielsweise, wenn wir den Gehörgang mit einer Otoplastik verschließen.

Die Kunden klagen über einen unangenehmen Klang ihrer eigenen Stimme oder Druck im Ohr. Warum betrifft das jedoch nur die eigene Stimme?

Wenn wir unsere eigene Stimme hören, hören wir diese immer als ein Gemisch aus Luftschall und Knochenschall. Ist das Ohr also nicht mit irgendwas verschlossen, kommt der Luftschall direkt ins Ohr und der Knochenschall fließt teilweise aus dem Ohr heraus, da unser Trommelfell einen sehr hohen Widerstand für Schall hat und bis zu 90% wieder reflektiert.

Wenn wir nun den Gehörgang mit einer Otoplastik verschließen, kann der Luftschallanteil unserer Sprache nicht mehr direkt ins Ohr und der Knochenschallanteil kann im Gegenzug nicht mehr aus dem Ohr abfließen. Daraus resultiert, dass wir den Knochenschallanteil auf einmal deutlich lauter wahrnehmen und den Luftschallanteil deutlich leiser, mit dem Ergebnis, dass unsere Stimme sehr stark dröhnt und unangenehm klingt.

Was kann man tun, um den Okklusionseffekt zu verringern?

Es haben sich zwei Möglichkeiten in unserem Alltag ergeben, wobei ich sagen muss, dass eine Möglichkeit nur bedingt gegen den Okklusionseffekt wirkt.

  1. Man kann einen Okklusionsmanager in der Software aktivieren.

Der Okklusionsmanager behebt allerdings nicht die Ursache, sondern versucht, dem unangenehmen Klang der eigenen Stimme durch Absenken der Tieftonverstärkung entgegenzuwirken (meistens im Bereich von 125-300 Hz, da hier die Grundschwingungen der Stimmbänder und der größte Anteil unseres Knochenschalls der eigenen Stimme liegen).

Da die Ursache nicht behoben wird, bringt das Ganze auch nur bedingt etwas und wenn, dann auch nur eine leichte Verbesserung.

  1. Setzen oder vergrößern der Zusatzbohrung.

Die Okklusion an sich kann man nur mit einer Zusatzbohrung beheben. Wie der Name Okklusion, bzw. Verschlusseffekt schon sagt, kann man diesen Effekt beheben, indem man den Verschluss beseitigt indem man eine Bohrung setzt.

Wenn man sich den letzten Blogeintrag anschaut, in dem es um die Modifikation von Zusatzbohrungen ging, kann man ableiten, was wir für eine Bohrung brauchen. Unser Knochenschall liegt zum größten Teil, wie oben schon geschrieben, zwischen 125 und 300 Hz. Damit dieser Frequenzbereich wieder aus dem Ohr abfließen kann, reicht eine Bohrung zwischen 0,8 und 1,2mm. Damit ist der Verschluss behoben und der Knochenschall kann wieder aus dem Ohr abfließen. Was passiert nun mit dem Luftschall, der bekanntlich in einem höheren Frequenzbereich liegt?

Dieser kommt immer noch nicht in das Ohr. Das ist aber kein Problem, denn der Luftschallanteil wird vom Hörgerät verstärkt und übertragen und ist damit wieder hörbar. Damit will ich nicht sagen, dass man immer eine 0,8mm – 1,2mm-Bohrung setzen soll. Der Bohrungsdurchmesser ist und bleibt abhängig vom Hörverlust.

Sollte eine 1,2mm-Bohrung nicht ausreichen, um den Okklusionseffekt zu eliminieren, wird wahrscheinlich auch kein größerer Durchmesser etwas bewirken, denn:

In diesem Fall ist die Ursache für den falschen oder unangenehmen Klang der eigenen Stimme nicht der Okklusionseffekt, sondern der Autophonieeffekt.

Autophonie:

Autophonie ist das unnatürlich laute Hören von Körperschall. Körperschall ist zum Beispiel Trittschall, Kaugeräusche oder der verfälschte Klang der eigenen Stimme.

Das bedeutet, dass der Okklusionseffekt zur Autophonie gehört, der Autophonieeffekt selbst kann aber was ganz anderes sein als der Okklusionseffekt. Das ist in etwa so wie alle Daumen Finger sind, aber nicht alle Finger Daumen.

Die Ursachen für Autophonie können ganz unterschiedlich sein. Sie reichen von pathologischen Ursachen, wie z.B. einer offenen Tube oder einer Mittelohrentzündung, bis hin zu mechanischen Ursachen, die unser Handwerk betreffen.

Die Abgrenzung, ob die Ursache pathologisch oder mechanisch ist, ist recht einfach. Nimmt man das Ohrstück aus dem Ohr und die negativen Effekte (auch Artefakte genannt) verschwinden, ist die Ursache mechanisch. Verschwinden die Artefakte nicht, ist es pathologisch und damit nicht von uns zu beheben. Auf die pathologischen Ursachen werde ich nicht weiter eingehen, das ist das Hoheitsgebiet der Oto-Rhino-Laryngologen (HNO-Arzt).

Für die mechanische Ursache schauen wir uns zuerst an, wie Sprache überhaupt entsteht.

Die Sprachgeräusche werden im Kehlkopf und der Stimmritze (der Zwischenraum zwischen den Stimmbändern) gebildet. Durch die Zungenstellung werden dann im Rachen- Nasen- und Mundraum die Formanten gebildet. Dadurch gerät der Zungengrund in Schwingung, diese Schwingungen werden auf den Unterkiefer und auch nur auf den Unterkiefer übertragen. Das Ganze kann man auch selbst mal austesten, indem man den Daumennagel auf die Zahnreihe des Unterkiefers legt und ein langgezogenes „iiiiiiii” spricht. Danach das gleiche nochmal, allerdings den Daumennagel auf die Zahnreihe des Oberkiefers platzieren. Der Oberkiefer wird nicht schwingen, da die Vibrationen nur bis zum Unterkiefer gelangen und vermutlich von den Bändern des Kiefergelenks absorbiert werden.

Das Gelenkköpfchen des Unterkiefers (caput mandibulae) grenzt direkt an den Gehörgang. Die Gelenkköpfchen schwingen wie eine Lautsprechermembran und addieren zum Luftschall den Körperschall unserer eigenen Stimme. Dadurch klingt unsere Stimme für uns selbst immer voluminöser als für andere oder auf Tonbandaufnahmen.

Denkt man also mal genau darüber nach, entsteht der Autophonieeffekt ständig und wird durch die anderen Parameter nur verstärkt. Wir hören unsere eigene Stimme durch den Knochenschall folglich immer verfälscht.

Wenn das Kiefergelenk an die Otoplastik anstößt, verursachen wir damit also streng genommen keinen Autophonieeffekt, sondern verstärken ihn. Das bedeutet also auch, dass der Autophonieeffekt nicht immer durch die Bohrung beeinflusst werden kann, sondern durch das Kiefergelenk an sich, das seine Schwingungen auf das Ohrstück überträgt und somit verstärkt.

Hierfür eine Lösung zu finden ist gar nicht so einfach. Uber die Einstellung können wir auch nicht wirklich etwas bewirken, da der Autophonieeffekt eine enorme Bandbreite hat und auf jeden Fall von 125-3000Hz gehen kann. Diese riesige Bandbreite entsteht nicht nur durch das Kiefergelenk, sondern auch durch die ganzen pneumatischen Räume unseres Schädels, die mitschwingen können. Das sind Hohlräume im Schädelknochen und da jeder eine andere Form und eine andere Größe hat, besitzt auch jeder eine andere Resonanzfrequenz. Mit dem Entkoppeln des Kiefergelenkes ist aber schon sehr viel gewonnen und die ganzen Artefakte, die auftreten können, entstehen ja zum Glück nicht bei jedem Kunden.

Man könnte versuchen, mit Beissblöcken oder offenem Mund den Abdruck zu nehmen, um das Kiefergelenk zu entkoppeln. Das macht für mich persönlich allerdings wenig Sinn, denn das Kiefergelenk kann sich in 3 Ebenen bewegen. Horizontal (seitlich), vertikal (hoch und runter) und longitudinal (vor und zurück). Wie will man diese ganzen Bewegungen abformen? Als nächstes kommt noch hinzu, dass sich das Kiefergelenk vom Gehörgang weg bewegt, wenn man den Mund öffnet und der Gehörgang dadurch „größer” wird. Das geht in meinen Augen komplett nach hinten los: durch die Vergrößerung des Gehörgangs stößt das Kiefergelenk eigentlich noch stärker an als vorher sowieso schon und zudem kann es auch dazu kommen, dass das Ohrstück das Kiefergelenk sperrt und man den Mund nicht mehr richtig schließen kann.

Was sich für mich im Alltag bewährt hat, ist das Kiefergelenk zu entkoppeln. Das bedeutet, dass man die Abdichtzone quasi in den knöchernen Bereich verlagert. Da wir nicht genau wissen, wo das Kiefergelenk sitzt, nehme ich den gesamten knorpeligen Teil weitestgehend aus der Plastik heraus und dichte im knöchernen Teil ab.

Erfahrungsgemäß ergeben sich dadurch mehrere Vorteile:

Zum einen kann man in meinen Augen den knorpeligen Teil nicht wirklich gut abdichten, da sich dieser bewegen kann. Etwas Bewegliches mit etwas Starrem abdichten zu wollen, kann dementsprechend nicht funktionieren.

Zum anderen kann ich dadurch auch bis in den knöchernen Teil gehen mit dem Gehörgangszapfen, da der gesamte knorpelige Teil weitestgehend entkoppelt ist, werden keine Bewegungen mehr auf das Ohrstück übertragen und es entstehen keine Reibungen mehr im knöchernen Teil, die unangenehm sind. Da der knöcherne Teil unbeweglich ist, kann ich diesen natürlich auch deutlich besser mit etwas Starrem abdichten.

Es gibt diese Art von Plastik schon eine Weile und auch unter verschiedenen Namen, das kann unter Nuggetplasik, Mozartplastik oder BlackBeautyplastik oder einfach nur Kiefergelenksentlastung sein. Ob jede dieser Plastiken das gleiche Ziel hat oder hatten, weiss ich nicht zu 100%, aber jede dieser Formen kann sich positiv auf den Autophonieeffekt auswirken.

Dass der knorpelige Teil nicht wirklich gut abdichtet, merkt man manchmal auch bei High Power Versorgungen. Ist der Mund in Ruhestellung, passiert nichts. Beginnt der Kunde allerdings zu kauen oder zu sprechen, kommt es immer wieder zu Rückkopplungen. Diese Rückkopplungen entstehen, weil sich der knorpelige Teil sowie das Kiefergelenk bewegen und der Gehörgang, je nach Gelenkstellung, größer oder kleiner im Durchmesser wird.

Was rein theoretisch noch helfen könnte, ist die Zusatzbohrung nach außen hin konisch zu öffnen. Schall nimmt immer den Weg des geringsten Widerstandes. Verringert man nun also die Impedanz, indem man die Zusatzbohrung wie ein Horn bearbeitet (nur eben nicht nach innen, sondern nach außen), könnte ich mir vorstellen, dass der Schall, der durch das Kiefergelenk übertragen wird, eher nach außen abfließt als in den Gehörgang und somit eine Verbesserung erzielen könnte.